Seite:Lucians Werke 1851.jpg

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Schönheit gefangen, lieber sterben, als von ihrem Anblicke entfernt das Licht der Sonne sehen wollten? Als das Mädchen zur Jungfrau herangewachsen war, und ihr Vater den großen[1] Abstand zwischen ihr und ihren Gespielinnen sah, ward er selbst von ihren Reizen gefesselt. Denn sie war mit einer solchen Fülle derselben ausgestattet, daß ihr Anblick selbst gegen die Ordnung der Natur ihren Erzeuger bethörte. Voll Verlangen, sie bei sich zu behalten, zugleich aber auch, dem Verdacht der Leute zu entgehen, gab er sich das Ansehen, sie an den Würdigsten verheirathen zu wollen, und ersann einen Anschlag, der noch schlimmer war, als seine Leidenschaft selbst, durch den er übrigens am leichtesten seinen Zweck zu erreichen glaubte. An einen zu möglichst schneller Fahrt sehr künstlich gebauten Wagen spannte er die besten Rennpferde von ganz Arkadien, und fuhr darauf mit den Freiern seiner Tochter in die Wette, unter der Bedingung, daß, wer ihn überholen würde, ihre Hand erhalten, wer besiegt würde, den Kopf verlieren sollte. Dabei bestimmte er, daß Hippodamía sich jedesmal selbst mit auf den Wagen des Freiers setzen sollte, damit dieser, nur mit ihr beschäftigt, die Aufmerksamkeit auf sein Gespann vergessen mochte. Wiewohl nun gleich der Erste, der mit ihm auslief, das Unglück hatte, die Braut und das Leben zugleich zu verlieren, hielten sie es doch für unmännlich, ihren Entschluß zu ändern und vor dem Wettkampf zurückzutreten, sondern drängten sich in der Erbitterung über die Unmenschlichkeit des Oenomaus hinzu, und suchten begierig einander


  1. πολλῷ τῷ μὲσῳ statt οὐ πολλῷ τ. μ.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1851. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1851.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)