Seite:Lucians Werke 1861.jpg

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Tribun, der gestern hier landete, werdet ihr dasselbe gehört haben.

6. Menekrates. Aber sage mir doch, Musonius, wie ist denn wirklich die Stimme beschaffen, um deren willen er so sehr in die Musik vernarrt ist, und die olympischen und pythischen Siegerpreise sucht? Fremde, die nach Lemnos kamen, waren getheilter Meinung: Einige sprachen mit Bewunderung davon, Andere lachten über ihn.

Musonius. Seine Stimme ist eben nicht zum Bewundern; doch klingt sie auch nicht lächerlich. Sie ist im Gegentheil von Natur nichts weniger als unangenehm, und hält sich auf einer gewissen mittleren Höhe. Allein er sucht durch Herabdrücken der Kehle seinen Tönen Tiefe geben,[1] und alsdann erhält der auf diese Art erkünstelte Gesang etwas Hohles und Brummendes. So lange er übrigens mit einiger schüchternen Zurückhaltung singt, wird diese polternde Rauhigkeit durch die musikalische Begleitung gewissermaßen ausgeglättet; seine Coloraturen und Modulationen erscheinen ungezwungener und gefälliger, sein Gesang steht in harmonischerem Verhältniß zum Saitenspiel; alle seine Bewegungen, sein Vorschreiten, sein Innehalten, die Veränderungen seiner Stellung, die Wendungen seines Kopfes geschehen mehr zur rechten Zeit, und sind dem Ausdruck des Gesanges angemessener, und das Einzige, was an der Sache nicht ehrenvoll scheint, ist, daß ein Kaiser, auf Dinge dieser Art ein so ernstliches Studium verwendet.


  1. φύσει nach κοῖλον μὲν stört den Sinn, und scheint aus Mißverstand eingeschoben zu seyn.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1861. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1861.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)