Seite:Lucians Werke 1863.jpg

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siegen zu wollen. Unter mehreren Preisbewerbern, die sich einstellten, war auch Epirotes, ein wegen seiner vortrefflichen Deklamation berühmter und allgemein bewunderter Schauspieler. Dieser äußerte sich unverholener, als er sonst wohl pflegte, daß er große Lust habe, den Kranz zu erhalten, und daß er, wofern ihm nicht Nero zehen Talente böte, nicht gesonnen sey, auf den Sieg zu verzichten. Nero war außer sich vor Zorn. Denn selbst noch hinter der Scene, als eben der Wettkampf angehen sollte, hatte Jener sich so vernehmen lassen. Und als nun wirklich alle Griechen dem Epirotes Beifall zuriefen, schickte Nero seinen Schreiber an ihn mit dem Befehle, er solle seine Stimme so sinken lassen, daß sie unter der seinigen bleibe. Dieser aber hob sie jetzt nur desto mehr, und machte dem Tyrannen mit republikanischem Muthe den Sieg streitig. Endlich schickte Nero seine Schauspieler auf die Bühne, als ob sie zur Sache gehörten, und diese drängten den Epirotes an die nächste Säule, indem sie ihm statt der Dolche mit ihren elfenbeinernen Schreibtafeln zu Leibe gingen, und stießen ihm die Spitzen derselben so lange in die Kehle, bis er erstickte.

10. Menekrates. Und nach einer so abscheulichen That, vor den Augen des gesammten Griechenvolks, trug er gleichwohl den tragischen Preis davon?

Musonius. Für einen jungen Menschen, der seine Mutter ermordet hatte, war das Scherz. Wenn er einem Schauspieler die Stimme nehmen wollte, und ihn darüber gar umbrachte, wie sollten wir uns darüber wundern? Hatte er denn nicht einmal Lust, auch die Mündung der pythischen Hohle, aus welcher die heiligen Stimmen emporsteigen,

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1863. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1863.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)