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Ludwig Anzengruber: Der Pfarrer von Kirchfeld. Aus: Ludwig Anzengrubers sämtliche Werke. Band 2

erste sein, der unserm Lande das verdammungswürdige Beispiel einer solchen Ehe gibt?

Loisl (verlegen). Aber, Schulmeister, einer muß doch anfangen!

Schulmeister. Lästerung! Keiner darf anfangen! – Hast du auch den Schritt wohl überlegt? Wie willst du mit der Haus- und Kinderzucht aufkommen? Dein Weib haltet nichts auf deinen Glauben und lacht dich hinter deinem Rücken aus – und was kannst du auf ihren Glauben geben, ohne selbst den deinen zu verleugnen? Was aber willst du deinen Kindern einst sagen, wenn sie so klug geworden sind und dich fragen: Wer glaubt denn recht von euch beiden, du oder die Mutter?

Loisl (kratzt sich hinterm Ohr). Das werden die kloan Sakra doch net fragen!

Schulmeister (triumphierend). Das werden sie, verlaß dich drauf, das werden sie gewiß!

Michel (schlägt Loisl auf die Achsel). Zerstudier dich net, sag ihnen das, was man uns vor Zeiten gsagt hat, wann wir unglegn gfragt haben: „Halts es Maul!“

Schulmeister. So redest du? Begreiflich, sehr begreiflich, du hast uns ja selbst enthüllt, daß ihr Kirchfelder einen reißenden Wolf im Schofspelze zum Pfarrer habt!

Loisl. Unsern Pfarrer verschimpf uns nit, du reißends Schof im Wolfspelz! Uns dekuraschierst net, wenn du auch noch so herumschreist! Wie wir heut morgen auszogn sein aus unsern Ort, so sein wir auch am Pfarrhof vorbei. Wer steht an der Tür?

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Anzengruber: Der Pfarrer von Kirchfeld. Aus: Ludwig Anzengrubers sämtliche Werke. Band 2. Wien 1922, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Anzengrubers_s%C3%A4mtliche_Werke_II_026.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)