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habe man zum öftern im Burghofe ein leises Gewimmer vernommen, oder auch ein weißes Kind ganz allein daselbst mit Blumen spielen sehn.

Auch eine weiße Jungfrau wandelt in den Ruinen, und als Wunder- und Glücksblume blüht dort eine Tulipane. Der Tulipane erwähnt die Sage selten, meist ist es eine gelbe Schlüsselblume, eine blaue Glockenblume oder eine weiße, auch purpurrothe Lilie, die dem Glücklichen entgegenblüht, dem ein Schatz bescheert ist, und das kommt lediglich daher, daß das Volk die Tulipane nur als Ziergewächs der Gärten kennt, weil die in Deutschland wildwachsende kleine Tulpe (Tulipa sylvestris Linn.) nicht häufig angetroffen wird. Einem Schäfer, der innerhalb der Ruinen des Schlosses Krainberg die Tulipane fand, und dem die weiße Jungfrau erschien, begegnete gleich vielen andern das Mißgeschick, daß ihm im schätzegefüllten Kellergewölbe die Blume vom Hute fiel, daß er in ihr „das beste“ vergaß, und vom heftigen zuschlagen einer Eisenthüre am Gewölbeingang den Tod davon trug.

62.
Abt giebt Namen.

Ein guter Theil des unteren Werrathales, das jetzt großherzoglich Sachsen Weimar-Eisenachisches Landesgebiet ist, gehörte zu dem früheren Buchengau (Buchonia), und die Aebte des Hochstifts Fulda beherrschten dasselbe mit ihrem Krummstabe. In der Reihe derselben war Abt Dankmar. Dieser Abt bereiste zu einer Zeit seinen Kirchsprengel,

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/107&oldid=- (Version vom 1.8.2018)