Seite:Ludwig Bechstein - Thüringer Sagenbuch - Erster Band.pdf/113

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gekleidet, einen Leidschleier um den Kopf, ein Schlüsselbund in der Hand, und im Gesichte so weiß wie ein Quarkkäse. So erscheint sie auf der alten Lindigsburgstätte, und davon heißt sie das Lindigsfrauchen, dann aber auch unter der Brandenburg und auch auf dem Wege von Gerstungen nach dem ehemaligen Kloster im Kolbacher Thale, wo sie als Nönnelein gelebt hatte. Das Lindigsfrauchen hat die nicht sehr angenehme Eigenheit, sich nächtlichen Wanderern aufzuhocken, und so sehr ätherisch sie im Leben gewesen sein mag, als sie noch mit ätherischen Wesen Umgang gepflogen, so irdisch schwer wurde sie denen, die sie hockeln mußten. Wer sie aber bis ans Ziel, wohin sie just getragen sein will, hockelt, dem erschließt sie Gewölbe und Keller voll Schätze, und macht ihn über die Maßen reich. Die Sage theilt aber mit, daß von solchem hockeln ein Bauer, Namens Oehme, ein Fleischer, Namens Rösing und Andere den blassen Tod davon getragen haben, nennt aber keinen, der zur Zeit durch das Lindigsfrauchen glücklich geworden.

66.
Vom Bilstein.

Es giebt in verschiedenen Gegenden Deutschlands Bergkuppen, namentlich felsreiche oder auch einzeln stehende Felsen und Felsengruppen, welche den Namen Bilstein führen. Diese Benennung klingt mythisch an, wenn man auch nicht geradezu an einen Bil oder Biel als Harzgott glauben, und von ihm das Wort Beil ableiten will, oder in ihm den Vater der Bilwitzen, Bilzen, Bilsen, Hexenschnittmacher, erblicken will. Im Harze ein Bielstein bei

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/113&oldid=- (Version vom 1.8.2018)