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vor Dir, Frau – aber niemand gewahrte ihn. Da merkte er seine Unsichtbarkeit, aber sie wurde ihm lästig, und da ihn etwas im Schuh drückte, so zog er diesen aus und klopfte ihn aus, und da fiel der Wünschelsame heraus, und wurde alsbald unsichtbar, denn seine Findestunde war vorüber. Der Finder aber war wieder sichtbar geworden, und froh, die bedenkliche Gabe los zu sein, denn die Wiedererlangung seines Fohlens war ihm lieber, als die bedenkliche Gabe des bösen Fol.

68.
Storchengericht.

Zu Creuzburg an der Werra kamen an einem Herbsttage, kurz vor der Zeit als die Störche wegziehen, große Züge von Störchen an, umflogen die Stadt, und ließen sich theils auf Gebäuden, theils auf nahen Wiesen nieder, und begannen heftig mit einander zu kämpfen. Dann schienen sie einen Waffenstillstand geschlossen zu haben und es flogen gleichsam nur Boten ab und zu, entweder aus der Stadt zu den Wiesen, oder von drausen herein. Endlich erhoben sich alle gemeinsam und sammelten sich drausen auf dem Soden (die Wiesen nahe dem Salzamt Wilhelms-Glücksbrunn), und ließen sich mit großem Geräusche nieder. Hierauf ordneten sie sich in zwei Reihen, und es erschien ein einzelner Storch, der in die Mitte trat, als wenn er eine schönklappernde Rede halten wollte. Aber alsbald fielen die ganzen Schwärme über diesen einzelnen her, stachen und hackten mit ihren spitzen Schnäbeln auf ihn los, und ließen

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/116&oldid=- (Version vom 1.8.2018)