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4.
Irmin und Irmina.

Eine Stunde von Eisfeld nach dem Walde zu liegt das Dorf Crock; dicht über ihm erhebt sich wie ein steiler Kegel der Berg, welcher des Ortes Kirche trägt. Diese Kirche hieß vor Zeiten die Irmenkirche, der Berg der Irmelsberg, auch Hainberg. (Hain deutet zumeist auch auf Uebung frühen Götterkultes, ist etwas ganz anderes als Wald, Forst oder Gehölz, und lautet in alter Sprache Hag, Hagen, bei welchem Worte man, ohne Wortklauber zu sein, an das griechische Wort άγιος, heilig, wol denken darf). Wenn nun eine altgermanische Gottheit oder Halbgottheit des Namens Irmin in Deutschland verehrt wurde, wie die Nachrichten über die Irminful, Irmensäule, unzweifelhaft lassen, und der auch Hermen genannt wurde, einerlei ob manche frühere Gelehrte ihm den griechischen Hermes (Merkur) oder den römischen Mars verglichen, warum sollte nicht auch auf diesem frühen mythischen Boden des alten Asei-Feld ein Hall der Erinnerung an ihn seßhaft geblieben sein? Weithin beherrscht die Spitze des Irminberges die Aussicht nach den zahlreichen Kegelgipfeln dieser Gegend, auf die Vesten und Burgen Coburg, Calenberg, Heldburg, Straufhain, und die sogenannten Römhilder Gleichberge, wie tief hinein in fränkische Gelände. Gern bemächtigte sich später die christliche Kultur solcher Stätten, die schon der heidnischen Bevölkerung hehr und heilig waren, und so erhob sich wol in ziemlicher Zeitenfrühe auf dem Irminberge ein Christenkirchlein, das lange Zeit hindurch weit berühmter Wallfahrtort wurde, und erst spät, im Jahre 1489 wurde die jetzige Crocker Kirche auf die Stätte

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)