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Hermann der Sängerfreund, daß ein Sänger von ihm rühmte:

„Und gält ein Fuder Weines tausend Pfund,
Doch stünde nimmer eines Ritters Becher leer.“

Der das sang, war zu jener Zeit einer der Sängergäste auf Schloß Wartburg, Herr Walter von der Vogelweide, ein weitberühmter Minnesänger aus Franken, mit ihm zugleich waren noch auf der Burg versammelt: Wolfram von Eschenbach, der bedeutendste von allen, auch ein Franke; Heinrich von Ofterdingen, muthmaßlich ein Oesterreicher, doch nennen alte Nachrichten ihn einen Bürger von Eisenach. Leicht möglich, daß der Sänger sich in Eisenach eingebürgert hatte. Man nennt ihn als den Dichter des hochberühmten Nibelungenliedes, des bedeutendsten deutschen Gedichtes alter Zeit. Ferner Johannes Biterolf, ein Henneberger, welcher als Diener der Landgräfin genannt wird; Reimar von Zwetzen, ein Thüringer, und endlich Herr Heinrich, der Schreiber genannt, ein ritterlicher Diener des Landgrafen, sein Kanzlar. Nun lagen poetische Wettkämpfe und Preissingen vor erlesenen Zuhörerkreisen im Geiste der Zeit, und es vereinten sich zu einem solchen die auf Wartburg anwesenden Dichter. Die Aufgabe, welche sie sich gestellt hatten, war das Lob edler und freigebiger Fürsten. Das Singen wurde in dem noch vorhandenen Minnesingersaale in Gegenwart des landgräflichen Paares und dessen Hofstaates abgehalten. Heinrich von Ofterdingen sang das Lob des Erzherzogs Leopold von Oesterreich gegenüber seinen 5 Sangesgenossen, die sammt und sonders das Lob des Thüringer Landgrafen priesen, und sich nach der Zeitsitte des Gleichnisses und der Räthselreden bedienten, die bisweilen

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/161&oldid=- (Version vom 1.8.2018)