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der alten gebaut und in die Ehre des Märtyrers St. Veit geweiht. In jener frühen Zeit schon verjüngte sich die Irminsage, spiegelte aber noch in ihrer Verjüngung den Kampf des Heidenthums gegen das eindringende Christenthum ab. Der Frankenkönig Dagobert habe eine Tochter gehabt, Irmina geheißen, diese sei aus des Vaters Hause entflohen um einer unglücklichen Liebe Willen, und habe sich in diese Berge und Waldeinsamkeiten auf die Grenze zwischen Franken und dem Thüringer Wald geflüchtet, wo sie an einem Brunnen ohnweit der Kirche gewohnt, der nach ihr noch heute der Irmelsbrunnen heißt, und den sie, in ihm badend, bis heute trübt. Einige sagen nun, die heidnische Königstochter Irmina habe, dem Christenthume, das den Sonntag heilig und arbeitfrei zu halten gebietet, zum Trotz an einem Sonntage Erbsen gesäet, aber der Fluch des Himmels habe alsbald diese Erbsensaat in Steine verwandelt. Andere erzählten, Irmina habe ihr ganzes Besitzthum aufgezehrt, und zuletzt nichts mehr gehabt, als ein Gemäß Erbsen, mit diesem sei sie kummervoll vom Irmelsborne geschieden und nach Eisfeld zu gewandert. Das Säckchen aber, oder die Schürze, darin Irmina die Erbsen trug, hatte ein Loch, und die Erbsen fielen, ohne daß die Trägerin es merkte, nach und nach hindurch, wurden zu Stein, und man findet deren noch immer auf und am Wege von Crock nach Eisfeld. Es sind kleine runde Kiesel, erbsenfarben, und zum Theil von Erbsengröße. So zeichnete die Königstochter Irmina einen weißen Irmin-Weg von Steinen, der wieder nach dem Irmin- oder Iring-Weg am Himmel von Sternen (die Milchstraße), dessen alte Sagen gedenken, deutet. Das Wasser des Irmelsbrunnens galt später für wunderthätig, und die

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/17&oldid=- (Version vom 1.8.2018)