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Gedächtniß soll das uralte Simsonbild von Stein auf Wartburg zeugen, doch kündet die Sage nicht, daß der Landgraf mit dem Leuen so gekämpft und ihm den Rachen aufgerissen, wie das Steinbild darstellt.

96.
Die Wunder Elisabeths.

Das ganze Leben der Landgräfin Elisabeth war eine Kette von Edelthaten, ein Kelch voll Leiden und eine Dornenkrone von Schmerzen und Mißgeschicken. Sie leerte den Kelch und trug die Krone mit der Sanftmuth einer Heiligen, und obschon sie, als sie noch im irdischen Leben wandelte, den verdienten Dank nicht allenthalben ärntete, Undank und Verkennung aber im vollsten Maaße, so ward ihr reiner herrlicher und makelloser Wandel doch von der Nachwelt anerkannt und dankbar gepriesen, ja es gediehe dahin, daß sie der höchsten irdischen Verherrlichung endlich theilhaft wurde, die einer Staubgeborenen zu Theil werden konnte.

Vieles offenbarte sich an der Landgräfin Elisabeth, was übernatürlich erschien, was schon ihre Mitwelt als ein Wunder empfand, und als Wunder der gläubigen Nachwelt überlieferte. Diese Wunder sind die unverwelklichen Goldblätter am Lebensbaume Elisabeths; die Sage hat sie abgepflückt und treulich aufbehalten. Die Sage muthet keinem zu, diese Goldblätter für untersiegelte Pergamene zu halten.

Elisabeth liebte sich stets möglichst einfach zu kleiden,

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/176&oldid=- (Version vom 1.8.2018)