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Unwillig folgte der Landgraf seiner Mutter in Elisabeths Gemächer nach, schritt zur Lagerstätte und riß die Decke herunter. Siehe, da wurden ihm die inneren Augen aufgethan, und es lag vor ihm im Bette Christus, der Weltheiland, wie er am Kreuze hing, auf dem Haupte die Dornenkrone, im Antlitz die Milde der Gottheit. Das bewegte den Landgrafen übermächtig, und er sprach zu Elisabeth: Meine liebe Schwester, solcher Gäste magst Du oft und viel in unser Bette legen, das thust Du mir wol zu Danke, denn ich erkenne: was man armen kranken Leuten in der Liebe Gottes thut, das ist Christo unserm Herrn selbst gethan. So hatte der Landgraf viele Freude an dem Christusbilde, seiner Mutter aber grausete, denn sie sahe selbes nicht; sie sahe nur einen jämmerlichen aussätzigen Kranken vor sich in dem Bette liegen. Der arme Einsiedel Eli aber lebte in seiner Felsklause geruhig fort, und sagte auf späteres Befragen aus, daß er weder krank gewesen, noch zu jener Zeit hinauf aufs Wartburgschloß gekommen sei. Seine Höhle zeigt man in dessen Nähe noch immer.

Als wahre Mutter und Wohlthäterin der Armen erwieß sich Elisabeth fort und fort. Sie spann unablässig mit ihren Dienerinnen Wolle und Linnen, und ließ daraus bei den Minoriten in Eisenach Kleiderstoffe weben, die sie für die Armen verwendete. Am Burgberge sprang eine frische Quelle, dort wusch sie oft die Kranken oder deren Kleider. Sie schöpfte Fische daraus, was außer ihr niemand gelang; die Quelle quillt noch heute und wird der Elisabethbrunnen genannt. Eine andere Stätte heißt die Armenruhe. In Eisenach richtete Elisabeth ein Kranken- und Verpflegungshaus ein, und als die Hungersnoth immer

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/181&oldid=- (Version vom 1.8.2018)