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ihn heilig sprach, noch gar jung an Jahren, da er von hinnen fahren mußte, erst sieben und zwanzig Jahre alt.

98.
Elisabeths Prüfungen.

Die fromme Landgräfin Elisabeth von Thüringen war einer Tochter genesen, während ihr Gemahl sich auf dem Kreuzzuge befand, welches Kind den Namen Gertrud, nach ihrer eigenen Mutter, empfing. Da kam die Schreckenskunde vom Ableben des Landesherrn nach Thüringen, und es blieb ihrer Schwiegermutter vorbehalten, ihr die Todesnachricht des Gemahles beizubringen, die Elisabeth mit dem tiefsten Schmerze empfing. Dahin war nun alle ihr Trost auf Erden, und sie sagte es selbst: Tod, tod, tod ist mir nun die ganze Welt. Das furchtbar schwere Gewicht des Wortes Wittwe drückte sie zu Boden. Der Brunnen ihres Lebensglückes war nun versiegt, und wurde zum Wermuthborne, der den Kelch ihres Leides füllte.

Des Landgrafen Bruder Heinrich, Raspe zubenannt, hatte längst nicht ohne heimlichen Groll die übergroße Freigebigkeit Elisabeths wahrgenommen, und sie laut, wie im Stillen getadelt. Jetzt hielt er an der Zeit, gegen diese Verschwendung einzuschreiten, denn er war jetzt Thüringens Regent, da seines Bruders einziger Sohn noch unmündig war. Ueber die persönlichen Zerwürfnisse, welche vorhergingen, bevor es zum äußersten gedieh, schweigt sowohl die Sage, als auch die Geschichte. Es überhüllt dieselben ein tiefer Schleier, aber das äußerste geschah,

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/186&oldid=- (Version vom 1.8.2018)