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Landgraf Ludwigs treue Mannen kehrten nach vollendetem Kreuzzuge aus Palästina zurück und brachten die Gebeine ihres vormaligen Herrn mit. In jedem Rastorte stellten sie die Sarglade in die Kirche und ließen zum Seelenheile Ludwigs ein Todtenamt halten, und opferten der Kirche Geld und Gaben. Auf diesem Zuge nach der Heimath berührten die Thüringer Herren auch Bamberg, die ehrwürdige Bischofstadt, und ließen dem Bischof Egbert ihr nahen ansagen. Da berief der Bischof alsbald Elisabeth, und zog mit ihr und einer festlichen Procession unter Glockengeläute den Gebeinen des Landgrafen entgegen. Auf das tiefste erschüttert und bebend fiel die unglückliche Wittwe beim Anblick der Gebeine ihres Gemahls nieder in tiefem Schweigen. Dann betete sie und gewann frischen Muth und fand Trost in ihrer Seele und sprach hernach viel mit den Thüringer Herren, die sehr schmerzlich betroffen waren von dem was sie erfuhren, wie es ihrer geliebten Herrin ergangen sei, und sie baten, in ihrem Geleite mit nach Thüringen zurückzukehren, und dem Feste der Bestattung der Gebeine ihres Herrn im Kloster Reinhardsbrunn beizuwohnen. Diesem Wunsche gab Elisabeth nach, und in Reinhardsbrunn strömte fast die ganze Bevölkerung Thüringens zusammen, Leid zu tragen um den so früh geschiedenen, geliebten Herrn. Nach beendigter Leichenfeier, welcher der neue Landgraf, Heinrich Raspe mit seinem Bruder Conrad, dem Deutschherrenordenscomthur, in Person bewohnte, richtete Rudolf, der Schenk von Vargila an den ersteren mit großem Freimuth sehr ernste Worte über sein Verfahren gegen des Bruders Wittwe und gegen dessen Kinder, und drohete ihm mit dem Zorne Gottes, wenn er sein Benehmen gegen Elisabeth nicht ändere und sie sich

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/189&oldid=- (Version vom 1.8.2018)