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und Bremen, nicht minder Elisabeths beide Schwäger, ihre Kinder, ihre Schwiegermutter.

Am Morgen des Erhebungstages der heiligen Gebeine begaben sich die Fürsten, den Kaiser an ihrer Spitze, letzterer im grauen Büßergewande, und gänzlich ohne Schmuck, nur die goldene Krone auf dem Haupte tragend, in die Kirche; die Fürsten und die hohe Geistlichkeit erschienen im höchsten Glanze des Schmuckes und der Tracht. Und nun wurden Elisabeths Gebeine erhoben, wobei Kaiser Friedrich selbst mit Hand anlegte; dann bedeckte der Kaiser das Haupt der Heiligen mit einer goldenen Krone, und sprach: Da ich sie auf Erden nicht krönen sollte als eine Kaiserin, so will ich sie doch ehren mit dieser Krone als eine ewige Königin in Gottes Reiche. Rührend war es anzusehen, wie Elisabeths Kinder an der Truhe knieeten, welche die Gebeine ihrer heilig gesprochenen Mutter in sich schloß. Zahlreiche Opfer wurden an diesem Tage dargebracht zur Erbauung der prachtvollen Kirche in Marburg, welche künftig das Mausoleum Elisabeths einschließen sollte, und zu welcher bereits der Grundstein gelegt war. Bald auch wuchs der Ruf der Wunder, welche nach dem Glauben jener Zeit die Heilige fortwährend übte, und es ist wol unbestritten das schönste und würdigste Wunder Elisabeths, daß noch bis heute, nach sechshundert und zweiundzwanzig Jahren, und in den Ländern Thüringen und Hessen, deren religiöses Bekenntniß an Fürbitte der Heiligen, wie an Wunder nicht zu glauben lehrt, das Andenken an diese Heilige ein rein und treu bewahrtes ist, und Elisabeth, die gottergebene, vielleicht überfromme, fürstliche Dulderin, in der vollen Glorie der Heiligkeit im Herzen des Volkes lebt, und nie vergessen werden wird.

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/193&oldid=- (Version vom 1.8.2018)