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denn Heinrich zählte erst vier Jahre, darum hieß man ihn das Kind von Brabant. Sophia kam zuerst nach Marburg, trat, ihren Sohn auf dem Arme, unter die Bürger, und entflammte sie für des Sohnes Recht, und da wirkte gar mächtig die frische Erinnerung an die heilige Elisabeth. Aber die Herzogin von Brabant verfolgte ihres Kindes Rechte weiter. Wenn sie auch Heinrich dem Erlauchten die thüringischen Reichslehen, die er vom Kaiser empfangen hatte, nicht wol streitig machen konnte, so hatte sie doch Rechte an die alte Grafschaft Thüringen, und die Güter, welche Ludwig der Bärtige und dessen Nachkommen als Allode erworben und vermehrt hatten; daher rückte sie auch nach Eisenach vor und hielt mit Heinrich dem Erlauchten eine Tagsatzung, auf der sie sich mit ihm vergleichen wollte, und es wäre alles gut geworden, wenn die Versprechungen des Markgrafen Dauer gehabt hätten. Diese hatten aber keine Dauer, und daran waren die Rathschläge Schuld, welche dem Markgrafen gegeben wurden. Denn da die Zeit des Interregnums war, und kein Reichsoberhaupt als Schlichter des Streites vorhanden, so widerriethen Heinrichs Mannen und zumal der Marschall Helwig von Schlotheim jede Nachgiebigkeit, die der Markgraf zeigte, und zumal sprach der erstere: Wär’ es möglich, daß Ihr mit einem Fuße im Himmel stündet, und mit dem andern auf der Wartburg, so solltet ihr viel eher den einen Fuß aus dem Himmel ziehen und ihn zu dem andern auf die Wartburg setzen. Das änderte Heinrichs nachgiebigen Sinn, er verschob die völlige Ausgleichung auf den Spruch des neuzuwählenden Kaisers, und beschwur mittlerweile sein Recht auf Thüringen in der Kirche zu Eisenach auf eine Rippe der heiligen Elisabeth, und zwanzig Eideshelfer

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/197&oldid=- (Version vom 1.8.2018)