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ehelichen Liebe und Treue gegen seine Gemahlin Margaretha ganz und gar, und lebte nur für Kunegunde von Eisenberg, die ihn mit ihren üppigen Reizen also umstrickt und bezaubert hielt, wie Frau Venus im Hörseelenberge vor Zeiten den Ritter Danhäuser, und ihn also sehr bethörte, daß er seiner tugendhaften Gemahlin das Leben rauben zu lassen gedachte. Nun war ein armer Knecht auf der Burg, dem oblag, täglich mit 2 Eseln Fleisch und Brod aus der Stadt auf die Burg zu schaffen, dem gebot der Landgraf gegen Verheißung eines großen Stückes Geld, sich des Nachts in die Kammer der Landgräfin zu schleichen und ihr heimlich das Genick zu brechen, nachher sollte die Unthat, wenn der Tag komme, dem Teufel in die Schuhe geschoben werden. Wie nun die Zeit da war, daß der Eseltreiber den Meuchelmord an seiner unschuldigen Gebieterin und Landesherrin ausführen sollte, regte sich sein Gewissen, und er bedachte bei sich, daß er, obschon blutarm, doch ehrlicher Leute Kind sei, und was es auf sich habe, eine solche That zu thun. Tödtete er seine Herrin und bliebe, so würde bald genug der Landgraf auch ihn tödten lassen, damit die That verschwiegen bleibe. Tödtete er sie und entfliehe, so würde man um so mehr in ihm den Thäter vermuthen und ihm das Bekenntniß abpressen, dann war sein Tod abermals gewiß. Tödtete er sie nicht, so hatte er des Gebieters Zorn zu fürchten, und an der Ehre, Vertrauter geworden zu sein, hing sein Leben.

Da nun der Eseltreiber die Ausführung der That an vierzehn Tage hinzögerte, wurde der Markgraf ungeduldig und redete ihn wiederum an mit ernstlicher Frage: Hast Du die Aernte geworben, die ich Dir anbefohlen habe? worauf der Knecht zagend antwortete: Herr, ich will sie

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/203&oldid=- (Version vom 1.8.2018)