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daß am Abende vor dem Sonntage Misericordias, war der 24ste April des Jahres 1322, die Predigermönche zu Eisenach auf der Rolle, zwischen der Hauptkirche St. Georgen und dem Barfüßer Kloster, ein geistliches Schauspiel aufführten, welchem Friedrich der Freudige mit seinem Hofstaate und vielem Volke als Zuschauer beiwohnte. Den Inhalt des Schauspieles bildete das Evangelium von den 5 klugen und den 5 thörigten Jungfrauen, die Darstellung war also angeordnet: Christus erschien mit Maria und einem Engelchore singend, denn die ganze Darstellung war gleichsam oratorisch, als durchaus ernstes Singspiel gehalten, obschon vielleicht auch manche Stellen gesprochen wurden. Hierauf traten die zehn Jungfrauen mit einem Lobgesange auf, Engelstimmen geboten Schweigen, Christus lud zu seinem Hochzeitmahle ein. Die Jungfrauen theilten sich in ihre zwei Parteien und führten Wechselreden über die Wahl zwischen himmlischer und Weltfreude; die thörigten hielten ein Mahl, bei dem sie zum Theil entschlummerten. Dann hielten sie, nachdem sie die 5 klugen vergebens um Oel gebeten, einen Umgang auf der Bühne, Oel zu kaufen, was ihnen nicht gelang. Christus erschien als der Bräutigam, winkte den klugen zu seinem Mahl empor; Maria empfing und krönte sie. Engelchöre verherrlichten das Hochzeitmahl. Nun flehten die thörigten Jungfrauen, auch sie aufzunehmen, aber mit Strenge wies sie Christus zurück; sie wandten sich an Maria als Fürbitterin, welche sich auch bewegen ließ, bei ihrem göttlichen Sohne für die unglücklichen zu bitten, allein vergebens, vielmehr traten Teufel auf, welche die thörigten Jungfrauen mit einer Kette umschlangen, die nun in die jammervollsten, und wehmuthsvollsten Wehklagen in Mark und

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/212&oldid=- (Version vom 1.8.2018)