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bewirkt wird, daß jemand ihr, der zwölfmal Nießenden, zwölfmal hinter einander ein „Gott helf!“ zurufe. Dazu hat leider noch niemand die Geduld gewonnen. Ein Fuhrmann brachte es wirklich bis zu eilfmal, als sie aber zum zwölftenmale nießte, schrie er im Fuhrmannszorne: Ei, wenn Gott Dir nicht helfen will, so helf Dir der Teufel! – Da that die verwünschte Jungfrau einen lauten Schmerzensschrei und verschwand. Vielfach gehen noch andere Sagen von ihrer Erscheinung um. Eine Schaafheerde wurde von ihr so geschreckt, daß sie sich wild zerstreute und an vierundzwanzig Schaafe sich von den steilen und schroffen Felsklippen herab zu Tode fielen. Einer Hirtenfrau erschien die Jungfrau, und ließ sich von derselben das Haar strählen, wollte sie auch gut dafür belohnen, und hatte sie schon in ihre Höhle geführt, die voller Schätze war, gleich der Höhle im Schlosse Xara, aber da schreckte sie ein großer Hund mit feurigen Augen, daß sie laut aufschrie, weil sie glaubte, der Hund werde sie beissen – da verschwanden Jungfrau, Schätze, Hund und Höhle mit einemmale, und die Frau stak in einer Dornhecke, aus der sie sich mühsam befreien konnte. Ein im Walde verirrtes und durch ein Vöglein verlocktes Kind schirmte die verfluchte Jungfrau, gab ihm Nahrung und deckte es zu, wenn es schlief. Erst nach acht Tagen fand es der Vater wieder, und es war frisch und gesund. Eine weiße Jungfrau – sagte es, sei zu ihm gekommen, habe ihm zu essen und zu trinken gegeben, und es zugedeckt. – Hinter der Frauenburg, vor welcher am Bergesabhang die Jungfernhöhle liegt, quillt eine Quelle, aus dieser trank einmal ein armer Leineweber aus Eisenach, da warf das Wasser mit einenmale einen Klumpen Silber heraus, den nahm der Leineweber

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/216&oldid=- (Version vom 1.8.2018)