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eine Nonne, mögen etwa der Mönch ein Karthäuser, und das Nönnlein in St. Katharina gewesen sein, die liebten einander, obschon niemand zu sagen weiß, wo sie einander zuerst gesehen, und wie sich ein Einverständniß zwischen ihnen entsponnen. An einem Abende aber entwichen laut Verabredung beide heimlich aus ihren Klöstern, ob nur auf ein kurzes Stelldichein oder ob für immer, das meldet wiederum die Sage nicht. Vielleicht hatten sie nicht den Willen, wieder in die Klöster zurückzukehren, und haben dieß auch nicht gethan, vielmehr fanden sie sich an einer einsamen Stelle hinter dem Metilstein und standen da gar lange beisammen auf einer Stelle und küsseten einander, und stehen noch immer daselbst, denn sie wurden in hohe Steinfelsen verwandelt, die von weitem gesehen, immer noch zwei riesigen Menschengestalten ähneln, welche sich gegen einander zum Kusse neigen.

111.
Hilten, der Mönch.

Im Kloster der Barfüßer zu Eisenach lebte ein frommer Mönch, des Namens Johannes Hilten, dem war die Gabe der Weissagung eigen, es ging ihm aber damit, wie das Sprichwort sagt: Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande; und zumal mißfiel er sehr, als er eine Veränderung in der kirchlichen Lehre von der Kanzel vorhersagte, und den Klöstern eine wenig tröstliche Zukunft verhieß. Das Barfüßerkloster zu Eisenach werde einem Lustgarten weichen, das Kloster zu Weimar ein Zeughaus

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/218&oldid=- (Version vom 1.8.2018)