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ein großer Flecken, der immer wieder zum Vorschein kam, so oft man auch die Wand überstrich, und am Ende wollten viele davon etwas zum Andenken mitnehmen, und bröckelten den Kalk ab, und da ist zuletzt aus dem Fleck ein Loch geworden. Dem frommen und fleißigen Junker Jörg wurde ein ehrbarer Knecht, ein verschwiegener Reitersmann, beigegeben, der, wenn der Junker einmal ausritt, mit ihm ritt, und dessen treue reiterische Einreden und Verwarnungen der Junker hernachmals oft rühmte, weil ihm der Reiter verbot, in Herbergen, sobald er dahin kam, sein Schwert abzulegen und alsbald über die Bücher zu laufen – damit man ihm nicht gleich den Schreiber und Gelehrten ansehe. So ist der Junker da und dort hingekommen zu seinen Freunden, unter andern nach Marksuhla, und haben ihn in seiner ritterlichen Verkleidung und seinem starken Barte nicht erkannt. Im Kloster Reinhardsbrunn aber erkannte ihn ein Conventuale, und wollte das weiter sagen, da drängte der Reiter zum Aufbruch und gab vor, sein Junker müsse Abends bei angestellter Verhandlung sein, und brachen beide eilends auf und zogen auf Schloß Wartburg. Als aber in Wittenberg und andern Orten die Rott- und Schwarmgeister sich aufrüttelten, und der Thomas Münzerische und der Bauernaufruhr losbrachen, da hielt es den Junker Jörg nicht mehr in der stillen Wartburgzelle, sondern erhob sich eilend gen Wittenberg, und kämpfte auch gegen jene gräulichen Drachen ritterlich und beharrlich, und war wieder, der er zuvor gewesen: Doctor Martin Luther.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/221&oldid=- (Version vom 1.8.2018)