Seite:Ludwig Bechstein - Thüringer Sagenbuch - Erster Band.pdf/222

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
113.
Escheinungen in und um Eisenach.

Alle sieben Jahre erscheint im alten Waisenhause, welches früher das Katharinenkloster war, gleich der verfluchten Jungfer, eine weiße Frau in Nonnentracht, welche dreimal tief aufseuzt und die Hände zum Gebet erhoben hat. Sie umwandelt eine gewisse Stelle, wo ein Schatz verborgen liegt, und geht dann nach den Gärten, wo sie sich verliert. Der alte Waisenhaus-Inspektor Limbrecht, Verfasser des Büchleins, „das lebende und schwebende Eisenach,“ meldete von dieser Erscheinung, daß sie kurz zuvor, ehe er in das Waisenhaus als Inspektor gekommen, sich gezeigt habe.

Auf dem Predigerplatze, wo noch der Rest der ehemaligen Predigerklosterkirche steht, und zu einem Wagenschoppen dient, wird zu Zeiten Mitternachts ein seltsam gekleideter Zwerg erblickt. Er geht die Gasse nach dem Markte schweigend vor, und verschwindet dort, ohne daß jemand näheres über seine Erscheinung zu sagen weiß.

Auf einem der Marktplätze in Eisenach liegt ein gewisser Stein im Pflaster; wenn nun eine Jungfrau zufällig diesen Stein betritt, so wird sie noch im selben Jahre Braut, und wenn eine unversehens Braut wird, daß die Leute sich darüber wundern, so heißt es: die muß auf den Marktstein getreten haben. Aber niemand kennt den Stein, sonst wäre er längst abgetreten.

In Auerbachs Garten zu Eisenach, wenn derselbe noch so heißt, steht in einer Laube ein Schatz. Ein Kind fand dort am hellen Mittage einen großen Haufen Knotten, nahm eine Handvoll davon mit nach Hause, und da fanden sich die Knotten in eitel Goldküglein verwandelt; gab eine

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/222&oldid=- (Version vom 1.8.2018)