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verstopft hatte, hinweg – und da wurde die Gestalt des schönen ernsten Frauenbildes immer kleiner und kleiner – und endlich war sie nur noch ein schwebendes Federchen – nach welchem der Ruhler eifrig haschte, aber völlig fruchtlos. Mit einemmale näherte sich das Federchen dem Schlüsselloche und zog hindurch – und kam niemals wieder.

117.
Hüthchen unterm Wackelstein.

In einem Hause in der Ruhl lag ein großer rundlicher, abgeplatteter Stein; trat man auf ihn, so wackelte er und schwappelte er. Unter diesem Steine wohnte ein Hüthchen, wie man in diesem Theile Thüringens die Wichtlein zu nennen pflegt. Die Besitzer des Hauses wurden reiche Leute. Sie ahneten nicht, daß sie ein hülfreiches Hüthchen im Hause hatten, und eines Tages kam dem Manne der Gedanke, es sei doch unangenehm, daß der Stein im Keller so wackele und schwappele, wenn man drauf trete; er wolle ihn tiefer legen und fest keilen. Zu dem Behuf mußte der Stein erst gehoben werden, um unter ihm eine tiefere Oeffnung zu machen, das ging aber nicht so leicht, als der Wackelstein hatte erwarten lassen, es ging vielmehr sehr schwer, denn das Hüthchen hielt ihn fest. Endlich that der Mann einen Fluch, etwa Schockschwerenoth, oder Kreuzmohrendonnerwetter! Und da that es unter dem Stein einen lauten Schrei, wie von einer Kinderstimme, und der Stein war gehoben, und unter ihm lag, so schien es, ein todtes Kind – aber es schien nur so,

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/229&oldid=- (Version vom 1.8.2018)