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mußte. Sehr zornig erschien er, und weigerte sich entschieden, in den Sack zu kriechen, darinnen er fortgetragen werden sollte. Endlich ließ er sich durch die Macht des Exorcismus willig finden, und bot seiner Frau die Hand zum Abschiede. Diese war aber gewarnt und schlug nicht ein, sie hielt ihm blos ihr Sacktuch hin, das lohte alsbald in hellen Flammen auf. Nun trugen ihn die Pöpelsträger im Sacke von dannen, und bannten ihn in die Gallert, ein Thal, das nach Etterwinden zu liegt. Dort spukte er schrecklich umher, hielt den Schubkärrnern die Schubkarren auf, wenn es bergan ging, und schob daran, wenn es bergab ging; theilte mit unsichtbarer Hand Maulschellen aus, und trieb es so arg, daß die Teufelsbanner nochmals kommen mußten. Da schrie der Geist einen derselben an: Pfaff, Du willst mich bannen! Hast Du nicht heute erst aus einem Acker eine gelbe Rübe gestohlen, und sie gefressen? – Schweige, Du böser Geist! rief der Jesuit. Wol habe ich aus jenem Acker eine gelbe Rübe gestohlen, meinen Hunger zu stillen – aber ich habe dafür einen Groschen in das Loch geworfen. Und nun wurde Feuchters Geist zum andern male gebannt, manche sagen in das alte Liebensteiner Schloß, andere nennen das „finstere Loch“ unterm Hohebruch hinter Wilhelmsthal, und noch andre den Schilderstein oder Schillkopf in derselben Gegend.

Am Reifsteig wird bisweilen ein sehr großer Mann erblickt, der ein Gesicht hat wie Flor. Er neckt und schreckt die Wanderer, wenn sie auf das dort wachsende Irrkraut getreten haben. – Am Häsel, einem Theile des Kirchberges, hält ein gespenstiger Schulmeister mit Kindern Schule, auch begleitet er gespenstige Leichenzüge, und man

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/231&oldid=- (Version vom 1.8.2018)