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Der große Wartberg und seine Schätze.

Ohnweit der Burgruine Scharfenberg erhebt sich der große Wartberg, auch Mart- und Marktberg genannt, ein Träger zahlloser Sagen, dem Hörseelenberge gegenüber, auch mit einer Höhle, welche das „Backofenloch“ heißt, darinnen soll ehedem viel goldhaltiger Sand gelegen haben. Den Gipfel des Berges krönt ein Dolomitfelsenkamm, und Laubwald umfängt und umhängt ihn rings wie ein grüner Mantel. Hier blühen am goldenen Sonntage die Wunderblumen, duften die Heilkräuter, öffnen sich dem glücklichen Finder und Pflücker der ersteren die verzauberten Schachte voll Schätze, wie unter andern das „Geißbeinsloch,“ das keiner findet, der nicht ein Goldensonntagskind ist.

Venetianer haben das Geißbeinsloch am Wartberge mit dem Hinterbeine einer Geiß „versetzt,“ d. h. verzaubert, die Oeffnung oder den Eingang verblendet. Eine alte Nachricht sagte aus, das heimliche Loch öffne sich allezeit über das dritte Jahr, also im vierten Jahre an zweien Tagen, und zwar am Walburgistage und am Johannistage (1. Mai und 24. Juni). Ein Erzstock stehe darin von solcher Mächtigkeit und Ergiebigkeit, daß 1 Centner seines Gesteines 30 Pfund Gold und 45 Pfund Silbers gebe. In alten Büchern ist viel über die Schätze des Wartberges geschrieben. Schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts wird ein Forstbediente genannt, Johann Christian König, der Gold aus dem Berge gebracht habe. Ein Nachkomme desselben, Oberförster König, sah bei einem Treibjagen am Ende eines grünen Waldplatzes eine geräumige Höhle offen, wendet sich, und schreit den Kreifern, die ihm folgen, zu,

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/240&oldid=- (Version vom 1.8.2018)