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anderesmal nicht wieder zu thun, er wolle sie wieder nach Hause bringen; sie möchten seiner nur unter einen Baume, den er ihnen zeigte, eine kurze Weile harren. Die Männer, vom langen herumwandern müde, schliefen abermals ein, und wie sie erwachten, waren sie in ihrer Heimath, unter den Bäumen, hinter die sie sich versteckt und unter denen sie entschlummert waren. Jene Sachen aber waren hinweg, und die zuvor offene Höhle war nicht nur nicht mehr offen, sondern gar nicht mehr zu sehen. Und nun gingen sie in ihr Dorf hinab, da lief und rief ihnen alles verwunderungsvoll entgegen, und stürmte mit Fragen auf sie ein, wo in aller Welt sie denn gewesen und geblieben seien? Am Sonntage Trinitatis waren die Männer aus dem Dorfe spatzieren gegangen, und am siebenten Sonntage nach Trinitatis kehrten sie wieder.

Hinter Liebenstein, beim Dorfe Baierrode, nimmt das Thüringerthal seinen Anfang. Dort sind große Felsen, und eine Wand heißt der Eselssprung, auch Eselsfuß, weil noch die Fußtapfen eines Esels in den Fels eingetieft sind, und zwar soll einst der Herr Christus über das Gebirge auf dem Esel geritten sein, mit dem er in Jerusalem einzog. Gleich dabei erhebt sich ein Bergeshaupt, der Judenkopf genannt. Eine bewaldete Felskuppe daneben heißt der Eselskopf – es giebt auch unbewaldete Platten, die so heißen – auch dort ist eine Venetianer-Höhle, die sich in der Johannisnacht aufthut, das ganze übrige Jahr aber unsichtbar bleibt. Die Venetianer kamen alljährlich zu zweien oder dreien, und wohnten in Steinbach beim Messerschmied Löser, und nahmen diesen einmal mit in die Höhle. Da hing das Gold wie Eiszapfen an den Wänden – aber ehe man es erreichen

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/259&oldid=- (Version vom 1.8.2018)