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Witsch, auf den hatte es der Kaiser absonderlich abgesehen, der nie anders als mit Freikugeln schoß. Bald nahm eine solche, niemals fehlende Kugel dem Witsch die Mütze vom Kopf, bald fuhr sie ihm durch den Rock, einmal, als er es recht eilig hatte, und nach einer Stelle lief, wo er den Kaiser vermuthete, streifte ihm eine Kugel die Ferse. Da wandte der Witsch auch Freikugeln an, und zeichnete sie. Ehe er sichs versah, fand er eine solche Kugel, die er nach dem Kaiser abgeschossen, in seiner Schnupftabaksdose wieder, denn der Kaiser fing jede nach ihm geschossene Kugel mit dem Hute auf, und zauberte diese dann an jeden andern beliebigen Ort. Da aber der Witsch dem Kaiser dadurch mehr und mehr aufsässig wurde, so machte letzterer jenen einmal im Walde fest, bindet ihn, prügelt ihn durch, und läßt ihn gebunden im Walde liegen, wo er durch Hunger, Durst und Ungeziefer die grimmigste Pein erdulden mußte, bis endlich Weiber ihn fanden, die ins Streuzeug gegangen waren. Nun wurde mit allem Ernst von der Jägerei in der Ruhl auf den Kaiser gefahndet, und am hohen Kiesel, einem Bergkopfe zwischen der Ruhl und Waldfisch wurde der Wildschütz endlich gefangen und nach der Ruhl gebracht. Man setzte ihn fest, und am folgenden Morgen saß er wieder ruhig daheim in Gumpelstedt beim Warmbier, als man ihn zum Verhöre in das Amt abführen wollte, und statt seiner – einen Strohwisch fand.

Zigeuner kamen sonst oft in diese Gegend, die weiten Waldstrecken boten dem Wandervolke lustige Gehege. Auch sie übten Freischützen- und sonstige Zauberkünste, wahrsagten, bettelten und stahlen nebenbei. So lange die gute Jahreszeit es irgend litt, übernachteten sie in keinem Hause,

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/264&oldid=- (Version vom 1.8.2018)