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137.
Die Geister des Flußberges.

Hinter und über Liebenstein und Steinbach erhebt sich ein oben bewaldeter Bergkopf, der mit Felszacken gekrönt ist, die sich ausnehmen wie eine Trümmerburg, mit Mauern und Thürmen. Die Felsenmauer ist 1000 Schritt lang und 20 bis 40 Fuß hoch. Alle diese Felsen bestehen aus grünlich schimmerndem Flußspath, daher der Name des Berges Flußberg. Er ist von mythischen Sagen umschwebt, und abermals einer der Heerdstätten der wilden Heeressage. Nie war es droben geheuer, nie ging gern ein Mensch allein zu dem einsamen Felsenpalast, der Geisterwohnung, zumal wann der Abend dämmerte, oder gar bei Nacht. Solche einsame Wanderer wurden stets geneckt, bald am Ohr gezupft, oder an der Jacke, oder mit Maulschellen bewirthet, die von unsichtbaren Händen kamen. Manch einer hörte sich beim Namen rufen und erblickte nie einen Rufer, oder hörte vor sich her eine wimmernde und barmende Stimme, wie von einem weinenden Kinde, und ging er nach, so war es immer eine Strecke vor ihm, und ehe er sichs versah, war er gänzlich irre geführt, oder stürzte in eine der zahlreichen Schluchten und Klüfte, zuletzt selbst in die größte, das verrufene Flußloch hinein, denn diese gähnende Kluft steht 40 Fuß weit offen zu Tage und führt in unergründliche Höhlengänge tief in den Bergesschooß hinunter. Drunten treiben Wichtlein ihr Wesen, welche in dieser Gegend „Bergmännchen“ heißen, und auch sonst in der Nähe von Steinbach und Atterode, beim Eisermannstein sich gezeigt haben, als das Bergwerk noch blühte,

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/272&oldid=- (Version vom 1.8.2018)