Seite:Ludwig Bechstein - Thüringer Sagenbuch - Erster Band.pdf/280

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Bergestiefen, und läßt sie mit ihren Wappner-Schaaren herausziehen aus dem sich öffnenden Schooß der Berge. Man denke an Widukind in der Babilonie, an Karl den Großen im Gudensberge, an Friedrich den Rothbart im Kiffhäuser und im Untersberge, an die Kaiser unter der Burg zu Nürnberg und im fränkischen Guckenberge, an den Siegfried unter Burg Geroldseck etc., und so wird auch Kaiser Karl der Fünfte in diesen mythischen Sagenkreis herein gezogen, ja es widerfährt noch ungleich später glorreich aufgetretenen Helden ein Gleiches.

Wunderbar und ohne allen historischen Halt läßt denn auch die örtliche Sage die Gemahlin Karl V. auf einer Reise nach Brotterode gelangen, und dort, da Wehen sie überfallen, eine Niederkunft halten. Die Gemeinde zeigt sich stolz auf das ihr so unverhoffte Glück, wartet der hohen Wöchnerin und der Amme auf mit dem besten Bier, und hält die Kaiserin in höchsten Ehren. Das erfreut denn auch des Kaisers Herz und er begabt den Ort mit trefflichen Freiheiten, schenkt ihm einen großen Wald, auch das Blutgericht, und ein Fahnenlehnen, welches besagt, daß so lange die Brotteroder Kirmse währt, jeder Nachbar, will sagen Hausbesitzer, Bier schänken und auch selbst trinken darf, so viel er kann und mag; darf auch in „der Braut“ fischen, so heißt der Bergbach, der den Ort durchrollt, und tiefer unten die Lauter oder den Lauterbach aufnimmt, da denn beide vereinte Bäche „die Druse“ heißen, durchs Drusenthal und das Dorf Drusen rinnen, und endlich in die Werra fallen. Vom Drusenthale haben die übergelahrten Schriftler und Diftler viel gefabelt, daß weiland der Römerfeldherr Drusus hindurchgezogen, und seinen Namen dem Thale, das nie einen

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/280&oldid=- (Version vom 1.8.2018)