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wieder den Blick erhob, und nach der Eiche hinsah, war jene Frau verschwunden. Als nun die Alte nach Hause gekommen war, erzählte sie, was sie gesehen, ihrer Nachbarin, und diese sprach: Ei Nachbarin, wißt Ihr denn das noch nicht? Das ist ja die böse Müllersfrau gewesen, die bei ihren Lebzeiten das Getreide der armen Leute auf unbarmherzige Weise gemetzt hat. Da ist sie von einem Pöpelsträger, weil sie nach ihrem Tode gar zu gräulich spukte, in den Stadtwald getragen, und darin fest gebannt worden, und muß nun mit dem schweren Mehlsack umgehen, bis sie jemand findet, der ihr den Sack abnimmt, wodurch sie erlöst wird. Die Eiche, an der die schlimme Müllerin jedesmal ausruhen darf, heißt die Mehleiche.


21.
Kapelle Ehrenberg.

Zur rechten der Straße von Hildburghausen nach Themar, wenn man das Dorf Siegritz schon im Rücken hat, ragt hoch auf einem Berge eine Steintrümmer über sparsamer Waldung empor, und eine Strecke tiefer breiten sich freundlich die Häuser des Dorfes Ehrenberg aus. Die Kapelle war der heiligen Ottilie geweiht, und es geschahen zu ihr zahlreiche Wallfahrten. Eine reiche Herrschaft soll der Sage nach früher in dem Dorfe gewohnt, ihm den Namen Ehr-Henn’berg gegeben, und auch die Kapelle begründet und begabt haben. Es ist aber alles dunkel, und nur ein schwarzer Hund soll zu Zeiten an der Trümmerwand der St. Ottilienkapelle sich sehen lassen, und einen dort vergrabenen

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/42&oldid=- (Version vom 1.8.2018)