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25.
Der Mönchsstein.

Das Thal aufwärts vom Kloster Veßra nach Schleusingen zu findet der Wanderer unterhalb Rappelsdorf und ohnweit der Zollbrücke auf einer Wiese einen mächtig großen Stein stehen, welcher im Volke der Mönchsstein genannt wird. Insgemein erzählt man sich, es habe ein Mönch aus Veßra den Stein zur Buße vom Kloster aus bis zu der Stelle, wo der Stein steht, auf seinen Achseln getragen, und dadurch zugleich das Klostergebiet bis zu diesem Stein erweitert; eine alte schriftliche Nachricht aber meldet: Bei der Gründung und Erbauung des Klosters Veßra durch den Grafen Gotebaldus oder Gottwalt von Henneberg um das Jahr 1130 erbot sich ein Mönch, den Stein eine merkliche Weite zu tragen, unter dem Beding, daß der Graf dem Kloster so viele Wiesen zu eigen gebe, als so weit der Mönch den Stein tragen werde. Der Graf willigte ein und der starke Mönch trug den schweren Stein diese weite Strecke, fast eine halbe Meile Weges weit, und sank dann tod nieder.

In ganz ähnlicher Weise wiederholt sich diese Sage im Forste des Dorfes Manebach bei Ilmenau, auch dort steht ein Mönchsstein, noch dazu mit einem darauf ausgehauenen Mönchsbilde, den soll sogar von einem Kloster zu Erfurt aus ein frommer Pater oder Frater bis zu jener Stelle getragen haben, um seinem Kloster Land und Waldung zu gewinnen.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/47&oldid=- (Version vom 1.8.2018)