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Margaretha von Henneberg erst 1488 völlig neu erbaute und dem h. Bartholomäus geweihte Kirche dem Verderben. Die Sage meldet, Isolani solle selbst mit der Brandfackel in der Hand nach der Kirche geeilt sein, um sie als ein Gotteshaus der Ketzer anzuzünden – da strahlte ihm, strotzend von reicher Vergoldung in reizender Farbenpracht der hohe kunstvolle Flügelschrein des Altars entgegen, in der Mitte die Madonna mit dem Kinde, zu ihrer Rechten der Erzengel Michael, zu ihrer Linken der Schutzheilige und Patron der Kirche, St. Bartholomäus, ein Meisterwerk mittelalterlicher Holzsculptur, und der fanatisch-katholische Isolani löschte alsbald die Fackel, befahl die Kirche zu schonen, und dem Feuer, das die Stadt verzehrte, so viel als möglich Einhalt zu thun, er selbst aber warf sich in gläubiger Andacht vor dem Altar auf die Kniee und betete. So übte hier die überwältigende Macht gläubiger und frommer Kunst in der That ein Wunder und errettete das schöne, auch sonst mit Bilderzier noch reichgeschmückte Gotteshaus.

Damals geschah es, daß eine Familie, wohnend in der Froschgasse, vom Mittagessen, welches in Klößen und Braten, aller Henneberger Lieblings- und National-Sonntagsgericht, bestand, hinwegflüchtete und weit in fremdes Land zog. Nach einem Jahr kehrten sie wieder zurück nach der Heimath und fanden dort ihr Häuschen in der Froschgasse gerade so wieder wie sie es verlassen. Klöße und Braten stand noch auf dem Tisch. Und dieses Häuschen war, nebst der Kirche und nur sehr wenigen Gebäuden im untern Theile der Stadt, das einzige verschont gebliebene in dem ganzen obern Stadttheil.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/61&oldid=- (Version vom 1.8.2018)