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mit nach dem Boden gekehrten Gesichte verharren, bis es vorübergebraust sei, sonst habe man zu befahren, daß man mit hinweggeführt und über Wald und Wipfel gerissen werde. Wer es gerne sehen will, darf bei Leibe nicht ohne Weiteres danach umschauen, sonst läuft er Gefahr, daß ihm der Hals gebrochen werde, sondern er muß seinen Kopf durch die Speichen eines Wagenrades stecken, da wird er alles gewahr und sieht am Ende mehr als ihm lieb ist, und kann die Erinnerung an seine Schrecken all sein Lebetage nicht wieder los werden.


44.
Wichtlein im mittlern Werrathale.

Fast in allen Gegenden, wo im Volke die Sage vom wilden Heereszuge lebt, sei es, daß der Wode als dessen Führer erscheine, oder Frau Holde, treten Wichtlein auf. So war es auch in der Umgegend von Meiningen der Fall, sowohl in unmittelbarer Stadtnähe, als entfernter, aber der meiningensche Chronist Sebastian Güth verrückte den Standpunkt der alten Sage, verjüngte sie, und schuf aus den Wichtleinshöhlen, die aus der Urzeit her dem Volke bekannt waren, Zufluchtsörter der Bevölkerung in den Hunnenzeiten. Die nüchterne Geschichtschreibung nahm der altheidnischen Mythe ihren Schimmer. Güth in seiner „gründlichen Beschreibung der Stadt Meiningen“ schildert das Wüthen der Hunnen im Jahre 923, und sagt wörtlich: „Für solcher Angst und Furcht, und damit die Leute für des Hunnen Wüthen und Toben etlichermaßen

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/77&oldid=- (Version vom 1.8.2018)