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sicher sein möchten, haben sie Löcher in die Berge und Felsen gemacht, und sich darinnen verborgen, dergleichen nicht allein zu Meiningen am Drachbergund an der Trifft, sondern auch in der Nachbarschaft an dem Dolmar und zu Dillstedt zu finden sein, welche letztere zumal gar bequem erbauet, daß auch ein frischer Quellbrunn in einem ausgehauenen Stein darinnen zu sehen. Solche Löcher hat man vor Zeiten Zwärg-Löcher und Wichteleinswohnungen genannt, weil die hiesigen Leut, so sich derselben bedienet, gegen die Hünnen als kleine Zwärg oder Wichtelein (so haben die Alten die Kinder zu nennen gepflogen) geschienen.“ So bestätigt Güth selbst das Vorhandengewesensein der alten Zwerg-Sage, indem er sie beseitigt. Seine Angabe ist zudem eine ganz irrige. Wol mag die schwache Bevölkerung vor den Hunnen in schwerzugängliche Waldungen geflohen sein, um sich darin verborgen zu halten, die bekannten, und noch immer so genannten Wichtleinshöhlen aber boten keinen Raum dazu dar; ich bin als Knabe unzähligemale in diese kleinen Felsklüfte gekrochen, die so raumbeschränkt, so eng und so niedrig sind, daß kaum ein Knabe, nicht aber ein Erwachsener darin stehen kann, auch sind derselben nur sehr wenige. Jedenfalls war in früheren Zeiten die Wichtleinsage in unserer Gegend mehr vorherrschend, und es ist sehr möglich, daß sie dem heutigen Dorfe Wichtshausen den Namen verlieh, das bereits im Jahre 922 als Wightigeshuson urkundlich vorkommt. Es liegt zwischen Meiningen und dem von Güth erwähnten Dorfe Dillstedt, an der Hasel, und ganz in seiner Nähe, zur Linken dicht am Wege nach Dillstedt zieht sich eine zerklüftete Felswand mehrere hundert Schritte lang hin, an der man, zunächst

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/78&oldid=- (Version vom 1.8.2018)