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nun auf einmal das Pferdegetrapp vernahmen, und den tosenden Hufschlag außen auf der gedielten Hausflur. Sie öffneten verwundert die Stubenthüre und empfingen die Reiterin, die mit Herzklopfen ihr Abenteuer erzählte. Es wurde nun das Paket geöffnet, darin sich allerlei glänzende Kostbarkeiten fanden, zum großen Erstaunen der Anwesenden. Am folgenden Tage wurde alles Kirchengut zurückerstattet und die Maid behielt nichts für sich, als eine purpurrothe Altardecke, die der Räuber in einer andern Kirche mitgenommen, die nicht zu ermitteln war. Daraus ließ sich die Dirne ein Mieder machen, das sie am nächsten Kirchweihtage trug. Da tanzte die kecke Dirne frisch auf, und es kam auch ein stattlicher fremder Herr, der sie fest ins Auge faßte, und auch um einen Reigen bat. Und wie sie so im wirbelnden Tanze dahinflogen, zuckte er einen Dolch hervor, und stach sie mitten in das Herz, daß sie tod niedersank, und verschwand. Das war der Räuber, dem sie seinen Raub entführt.

Diese Sage begegnet auch an andern Orten, so z. B. in Königshofen in Franken in ziemlich ähnlicher Weise.


46.
Das Vögelein.

Im Dorfe Dillstedt ist ein Platz, dem Wirthshause gegenüber, den nennen die Leute in ihrer Volkssprache nur „die Malschtt“, soll heißen Malstätte, die Stätte des Gerichts, und es war üblich, daß jeder Hochzeitzug, wenn er sich nach dem Wirthshause begab, über diese Stätte

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)