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sich bewegte. Seitwärts auf dem Mäuerlein grünte eine Harchels(Stachel)beerhecke. Nun geschah es, daß auch einstmals ein Brautpaar fröhlich und glücklich, die Musik voran, die Gäste in langen Reihen hinter sich, über die Malschtt zog. Siehe da saß in der Hecke ein schneeweißes Vögelein und sang:

„Heut wirst du hinauf geklungen,
Und übers Jahr hinauf gesungen!“

Das hörten aber die Brautleute kaum in ihrer Glückseligkeit. Aber wie das Jahr um war, so wurden beide von einer schnellen Seuche hingerafft, und wurden mit Trauerbegleitung und Todenliedern desselben Weges getragen, aber nicht hinauf ins Wirthshaus, sondern hinauf auf den Gottesacker. Seitdem das geschehen ist, geht kein Brautzug mehr über die Malschtt nach dem Wirthshaus, sondern es wird lieber ein großer Umweg gemacht.

47.
Das verwünschte Dorf.

In der Flurmarkung von Dillstedt liegt eine Wüstung, die hat jetzt den Namen Germelshausen; da hat vor Zeiten ein Dorf gestanden, das war schon im Jahre 800 vorhanden, und wurde Geruvineshusen geschrieben. So seltsam wandeln sich im Laufe der Jahrhunderte die Namen der Ortschaften um. Dieses Dorf schwand von der Erde hinweg, ohne daß man zu sagen weiß, wie? Im Jahre 1267 war es noch vorhanden, und im Jahre 1464 wird es schon in Erbzinsregistern des Klosters Rohr eine Wüstung genannt. Es ist mit demselben gegangen wie mit dem

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/82&oldid=- (Version vom 1.8.2018)