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verschwundenen Gertles (s. Sage 37.). Die Sage geht, Germelshausen sei verwünscht worden; von wem und weshalb? das verschweigt sie. Bisweilen findet und sieht es wol Einer, aber das soll gar nicht gut sein. Es mögen wol hundert Jahre her sein, daß der Feldscheerer von Diezhausen durch den Grund kam, der von Marisfeld herab nach Rohr zieht, dem Görtzbach entlang, da kam er durch ein Dorf, sah die Leute in die Kirche gehen, aber in düstern grauen Kutten, altväterisch und wie die Tracht von lauter Leidtragenden. Er ging durch das Dorf und kam nach Rohr, wo alles in bunter Tracht einher ging, und fragte nach dem Dorfe, durch das er gekommen sei, von Marisfeld herunter, aber da sagten die Leute: Zwischen Rohr und Marisfeld liegt kein Dorf.

An einem Dillstedter Kirmsentage ging ein Wichtshäuser Mann, der Schuhmacher Heinrich Messing, aus Altenberga gebürtig, von Wichtshausen aus nach Marisfeld. Er kannte diese Gegend nicht, und betrat sie zum erstenmale. Da lag ein Dorf vor ihm, dessen Häuser er sah, dessen Hähne er krähen hörte, und vor ihm her ging eine Frau, die eilte dem Dorfe zu. Der Heinrich Messing rief diese Frau an, sich bei ihr des Weges zu befragen, aber sie antwortete nicht und schien ihn nicht hören zu wollen, und er konnte sie nicht ereilen, und endlich führte sein Weg auch gar nicht in jenes Dorf hinein. Am Wege aber lag ein Teich, der war ganz eingeraset und fast ohne Wasser, und der Mann wunderte sich darüber, daß man den schönen Teich so gänzlich vernachlässigt habe. Indessen kam der Schuhmacher glücklich nach Marisfeld, verrichtete sein Geschäft, sah aber bei der Rückkehr auf demselben Wege weder jenes Dorf, noch jenen Teich. Nach

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/83&oldid=- (Version vom 1.8.2018)