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Hauptquelle seines künstlerischen Schaffens. Die Sehnsucht nach Italien liess ihn nicht los und er hatte sich, in der Beschränktheit seiner Lage, schon ganz in sie hineingesponnen, als sich sein künstlerischer Sinn plötzlich für die Schätze der heimischen Natur erschloss. Eine kleine Wanderung von Dresden das Elbthal hinauf bis nach Lowositz führte für sein Leben und seine Kunst diese neue Wendung herbei. „Das Herz ging ihm gross auf,“ erzählt Otto Jahn, „über die Herrlichkeit dieser wundervollen Gegend, die ihn über alle Maassen überraschte; es war ihm, als würden seine Augen nun erst geöffnet für die Schönheit deutscher Natur, die ihm seit Italien wie verschlossen und versiegelt geblieben war, dass er in ihr „wie der ärgste Philister, nur um sich die nöthige Leibesbewegung zu machen“ herumgelaufen war.“ Seitdem war es der Reiz deutscher Landschaft, deutsches Volksleben, deutsche Sitte, woraus er für seine Kunst Inhalt und Stimmung schöpfte, seitdem strömte ihm die Erfindungskraft wundervoll fruchtbar, denn er hatte zugleich das künstlerische Gebiet, die künstlerische Form gefunden, die ihm die gemässesten waren. Sein Eigenstes konnte nun erst zu ganz reinem Ausdruck kommen. Gegen die genrebildlichen Compositionen, diese kleine Welt voll des reizendsten Lebens, der gemüthvollsten Laune, der schlichtesten und zugleich zartesten Poesie, traten die selbständigen Landschaften allmälig zurück. Aber noch entstanden in dieser Zeit einige der schönsten und poesievollsten, wie die Abendandacht, der Brautzug und Im Juni. Das „malerische und romantische Deutschland“, das bei G. Wigand erschien, schmückte er mit einer Anzahl Landschaften, Ansichten von der sächsischen Schweiz, von Franken, dem Harz und dem Riesengebirge, die in der Auffassung fein und characteristisch und poetisch zugleich, durch den verflachenden Stahlstich freilich viel verloren haben. Zwei landschaftliche Darstellungen aus dieser späteren Zeit konnten den italienischen Blättern beigefügt werden: Die Abendandacht in einer Radirung von Witthöft, und eine Gegend aus dem Harz, die sogenannte Teufelsmauer, gestochen von Friedrich. Beigegeben ward noch der Herbstabend, eine Landschaft von Öhme, die von Richter mit grosser Feinheit radirt ist.

Allen Freunden des Künstlers, so dürfen wir uns überzeugt halten, wird die Sammlung dieser bisher verstreuten Blätter eine willkommene Gabe sein. Von Richter’s Thätigkeit auf dem Gebiete der Landschaft geben sie eine zwar nicht vollständige, aber doch ziemlich umfassende Anschauung, und Mancher, dem der Künstler schon längst ein vertrauter Freund gewesen, wird sie vielleicht jetzt noch als eine neue Erscheinung begrüssen.



Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Landschaften von Ludwig Richter. Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Richter_Landschaften.pdf/10&oldid=- (Version vom 12.12.2020)