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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller

Beziehungen sind ja schon erwähnt. Manche kündigen sich bereits in früherer Generation an. In seinem Nekrolog auf den Wiener Klavierbauer Ignaz Bösendorfer (1859) verweist er schon auf dessen ältesten Sohn Ludwig, auf den die Hoffnungen der Fabrik übergehen. Schon damals, wie später bei diesem, heißt es: »Seine Klaviere besitzen das beneidenswerte Talent, den Künstlern Genüge zu leisten und dem Publikum zu gefallen. Sie genießen das seltene Glück, zugleich vortrefflich und populär zu sein.« Ludwig wurde später einer seiner vertrautesten Freunde. Eine besondere Stellung zu ihm nahm Hugo Wittmann ein, sein Landsmann aus Ulm und ausgezeichneter Mitfeuilletonist an der »Neuen Freien Presse«. Von ihm erwartet man auch die Herausgabe der gesammelten oder ausgewählten Schriften. Es wäre eine lange Liste, die Personen alle zu nennen, die zeitweilig oder dauernd am Sp.schen Stammtisch gesessen, wo immer er sich befand, im »Reichenberger Beisel«, Winterbierhaus, »Griechenbeisel« oder bei Gause (es war die erste Siegesblüte des Pilsener Bieres). Da war durchaus kein Fachprotzentum, mancher schlichte Mann war eine Hauptstütze des Tisches und mit der Zeit als Veteran in dieser Eigenschaft gefeiert. Wie Kaiser Franz sagte: »Gemischte Gesellschaft? Wenn ich in keiner solchen sein wollte, müßte ich in die Kapuzinergruft gehen.« Es waren natürlich meist trinkbare Leute. Der Musikkritiker Eduard Schelle trug wohl den Rekord davon; auf ihn und noch etliche paßten gewisse in echt Sp.scher Weise ergründende Betrachtungen »über die unbändige deutsche Trinklust, die ihre tief dämonische Seite hat«. (In der Kritik über »College Crampton«, auf eine Rosenkranzsche Diatribe gestützt.) Aber auch in dieser Richtung wurde alle die Zeit her viel gefabelt. Jedenfalls konnte es, wo Sp. zu Biere saß, jederzeit mit Plutarch (Brutus 34) heißen: »Καὶ παιδιὰν ὁ πότος ἔσχεν οὐκ ἄχαριν οὐδ’ ἀφιλόσοφον.« (»Auch war Scherz bei dem Trinken, und dieser war nicht ungefällig und nicht unphilosophisch«.) Man vertrug viel, aber nicht ohne Würde. Noch jetzt ist ein großes Kartonblatt erhalten, worauf Anselm Feuerbach bei Gause (1876) »Die Plejaden« gezeichnet hat, nämlich die Sp.sche Tafelrunde, mit sieben Porträts und zwei Vignetten. (»Neue Ausgrabungen in Pompeji. Mosaikboden in der Casa des Lätitius Asinius. Gefunden von Prof. Zucurtius in Berlin.«) In der Mitte der Kopf Sp.s als Sonne, die Mähne als Strahlenkranz stilisiert. Um ihn her Johannes Ziegler, Nottebohm (der beste), der Pianist Eder, Josef Bayer, Martin Greif und Hugo Wittmann, dieser noch voll Pariser Erlebnisses, Cancan tanzend nach der Melodie: »J’ai du bon tabac..« Horaz hätte dazu gelächelt. Es war damals überhaupt, man möchte sagen, eine jüngere Zeit. Die große Wiener Lebezeit vor dem Krach wirkte noch nach und der Krach hatte diesen Musenpriestern nichts anhaben können. Ein Stil für reizende Privatissima bei Wein, Weib und Gesang hatte sich erhalten. Ich erinnere nur an die köstlichen Kellerabende im Hause des Barons Erlanger in der Metternichgasse, wo junge Damen der Gesellschaft, als Kellnerinnen gekleidet, aufwarteten und das amüsante Wien beisammen war. Auch Sp. gehörte dazu. Und Bösendorfer, der taktvoll Fürsorgliche, machte so manches Mal den getreuen Eckart, der unverläßlich gewordene Schritte sicher heimwärts lenkte. Man war jung. Sp. war sein lebelang ein äußerst angenehmer Gesellschafter. Gemütlich, scherzbereit, nie zum Bedeutendsein aufgelegt, eher all die

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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller. Reimer, Berlin 1908, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Speidel,_Schriftsteller.pdf/29&oldid=- (Version vom 1.8.2018)