Seite:Ludwigs des Bayern Königswahlgesetz Licet iuris vom 6. August 1338.pdf/14

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veränderten Fassung haben wir keine Spur. Damit fällt denn auch die recht künstliche Annahme hinweg, dass der Kaiser es sich habe gefallen lassen müssen, dass sein ursprünglicher Entwurf nach den Wünschen der Kurfürsten umgestaltet wurde, dass er dennoch aber bei der Absendung der Aktenstücke an die Curie die Variata beseitigt und seinen ursprünglichen Entwurf untergeschoben habe. Diese letztere Annahme, zu welcher sich Müller durch die unleugbare Thatsache genöthigt sah, dass man in Avignon nur den Text der Invariata besass, ist an sich sehr unwahrscheinlich. Ein solches Hintergehen der Kurfürsten hätte unmöglich auch nur kurze Zeit unentdeckt bleiben können, ganz abgesehen davon, dass die Uebersendung an die Curie nicht durch den Kaiser einseitig, sondern, wie Nicolaus Minorita (S. 608) ausdrücklich berichtet, durch den Kaiser und die Kurfürsten geschah (‚Omnia, que sunt superius scripta per ordinem, fuerunt missa Avinionem per prefatum dominum Ludovicum IIII. Romanorum imperatorem et principes sacri imperii electores‘). Ausserdem aber setzt jene Annahme eine eingehende Sorgfalt bezüglich der Feststellung der Gesetzestexte am Reichshofe voraus, wie sie weder vorher noch nachher im heiligen römischen Reiche üblich war. Beispiele hierfür aus der Zeit vom 13. bis 18. Jahrhundert beizubringen ist nicht schwer, doch würde das uns hier zu weit führen.

II. Der Text des Gesetzes.

Zur Herstellung des Textes der einzigen Form des ‚Licet iuris‘, welche uns bekannt ist, sind folgende Hilfsmittel vorhanden:

A. Die beiden vollständigen Nicolaushandschriften;

1. Codex Vatican. 4008,

2. Codex Paris, lat. 5154.

Beide Handschriften enthalten einen bis auf Kleinigkeiten selbst in Fehlern (wie ‚omni iure‘ statt ‚ipso iure‘) genau übereinstimmenden Text. Dass nicht etwa eine der Handschriften nur die Abschrift der anderen ist, ergiebt sich daraus, dass jede auch selbständige Fehler hat, welche die andere vermeidet. Beide sind also auf eine gemeinsame Vorlage zurückzuführen[1].

  1. Ich benutze diese Gelegenheit, um einen Irrthum in Hubers Vorrede zu Böhmers Fontes IV, p. LXIV zu berichtigen. Dort wird gesagt, die Pariser Handschrift reiche nur bis 1328 und die Vatikanische sei vollständiger. Ersteres ist sicher unrichtig, da auch die Pariser Handschrift nach Bethmanns Abschrift im Apparat der Mon. Germ, die Stücke von 1338 enthält. Sie reicht erheblich weiter als die Auszüge aus der Vatikanischen Handschrift bei Böhmer und schliesst so, dass man annehmen muss, dass sie das ganze Werk vollständig enthält.