Seite:Märchen (Montzheimer) 018.jpg

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Oder hat schon gar der Tod
Es erlöst aus aller Not?
Ach, wer kann mir Antwort geben,
Ob mein Kind noch ist am Leben?“

Die weißen Hände hatten zu dem Gesang nur wie vorher ab und zu in die goldenen Saiten der Harfe gegriffen, jetzt spielten sie eine süße Melodie, während Goldwina wieder begann:

„Leise, leise,
Süße Weise,
Sanft erklinge,
Trost mir bringe –“

Atemlos lauschte König Ringolf, denn diese Melodie, welche da jetzt aus den Saiten quoll, kannte er ja. Seine Gemahlin hatte sie auf der Laute gespielt. Aber wie anders klang sie nun von diesen Zaubersaiten, so zauberhaft, daß er begriff, warum man diese Harfe „Klingehold“ benannt. Und er gewahrte jetzt, wie die Zauberkraft dieser Töne den Schmerz im Antlitz der Königin Goldwina verschwinden ließ. Ein hoffnungsfrohes Lächeln gab Kunde, daß der begehrte Trost ihr zu Teil geworden war.

Am liebsten wäre der Lauscher hervorgesprungen, um mit Goldwina zu sprechen. Doch Elligods Worte fielen ihm ein. Nein, er durfte des Mädchens Vertrauen nicht mißbrauchen, durfte auch die ahnungslose Frau nicht erschrecken.

Wenn, wie er jetzt fest glaubte, ein Zusammenhang zwischen dieser Frau mit ihrer Zauberharfe und seiner Gemahlin bestand, so mußte er bald auf irgendeine Weise Gewißheit darüber erlangen.

Goldwina verließ jetzt die Halle, und im gleichen Augenblick erschien die Dienerin, um den Lauscher aus dem Garten zu führen.

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_018.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)