Seite:Märchen (Montzheimer) 028.jpg

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Eines Tages nun, als Magdalies wieder im Walde Erdbeeren suchte und dabei fröhlich sang, traten plötzlich zwei Knappen aus dem Gebüsch zu ihr, um sie zu fragen, ob sie nicht den Königssohn gesehen habe. „Wir suchen ihn schon überall,“ sprachen sie weiter, „und seine Freunde, die edlen Ritter, durchstreifen den Wald ebenfalls, denn wenn er sich verirrt hat oder ihn ein Unfall betraf, so mögen sie sich auch nicht der Jagd erfreuen.“

Da Magdalies auch keine Auskunft zu geben vermochte, ihnen nur die Richtung, in der die Stadt liegen mußte, zeigen konnte, so waren die Knappen bald wieder im Dickicht verschwunden. Nur fern hörte sie noch Hundegebell; dann war wieder alles still wie vordem. Magdalies suchte weiter Erdbeeren und sang:

„Saß ein Vöglein auf dem Ast,
Fühlte nicht des Lebens Last;
Schmetterte aus voller Brust –
Zuzuhör’n war eine Lust.
Vöglein, Vöglein, Vöglein sing,
Geht die Arbeit dann gar flink!“

Wirklich flog in diesem Augenblick ein Vöglein auf den nächsten Ast und äugte hinab zu Magdalies, die es lächelnd entdeckte, ihm zunickte und ihren Vers wiederholte.

Sie war so mit Erdbeeren, Gesang und Vogel beschäftigt, daß sie gar nicht bemerkte, wie abermals jemand aus dem Dickicht trat.

Erschrocken sah sie sich um, als eine Stimme rief:

„Vögelein, dein Sang stimmt heiter,
Singe noch ein wenig weiter!“

Ein Rittersmann stand in Jagdkleidung hinter ihr. Freundlich sprach er, als er ihren Schrecken bemerkte: „Habe

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_028.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)