Seite:Märchen (Montzheimer) 035.jpg

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Sie verschwieg nichts und schloß ihren Bericht seufzend: „Ach, du gutes, kleines Wesen, wenn du mir nicht sagen kannst, wo ich noch Erdbeeren um diese Jahreszeit finde, dann muß ich alle Hoffnung, dem armen, kranken König zu helfen, aufgeben, und die Bäuerin jagt mich gewiß obendrein aus dem Dienst.“

Das Männlein betrachtete das schöne, jetzt so traurige Gesicht des Mägdleins forschend, wiegte einen Augenblick anscheinend überlegend sein winziges Köpfchen und sprach weiter:

„Ist’s weiter nichts,
Was du verlangst?
Dann tut’s nicht not,
Daß du dich bangst.“

„Wie, du könntest und wolltest mir helfen?“ Magdalies fragte es zaghaft, als wage sie noch nicht, den Worten des Männleins zu trauen.

Doch dieses zog plötzlich aus seinem Mantel einen gar zierlichen, wie ein Zepter geformten, goldenen Stab, an dessen Spitze eine aus einem prächtigen Rubin täuschend nachgebildete Erdbeere funkelte. Den Stab, oder vielmehr sein Zepter schulternd, sprach der Kleine dann würdevoll:

„Du hast mich: wer ich wär’, gefragt,
Und darum sei es dir gesagt:
Zwar bin ich klein, doch sonst nicht wenig,
Bin hier im Wald der Erdbeerkönig.“

Dann, Magdalies winkend, drehte er sich kurz um und schritt eilig voran, der freudig Erstaunten noch zurufend:

„Folge, Mägdlein, schnelle
Mir zur richt’gen Stelle.“

Und, o Wunder! Gar nicht weit von dem Platze, wo sie gesessen hatte, erblickte Magdalies nun, als sie ihrem kleinen Führer folgte, den vom Erdbeerkönig gemeinten Ort.

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_035.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)