Seite:Märchen (Montzheimer) 051.jpg

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es auch, denn Hanko führte ein strenges Regiment, dem sich alle fügen mußten. Der Graf gab stets dem schlauen Hanko recht; wem das nicht paßte, der mußte sich eben einen anderen Dienst suchen.

Nur Marinka kehrte sich nicht daran. Sie behandelte den Koch, den sie nicht leiden konnte, nicht respektvoller als die Küchenjungen, die manchen Verweis von ihr erhielten; ja, es war nichts Ungewöhnliches, daß sie ihnen oder selbst dem allmögenden Hanko eine nach ihrer Meinung mißratene Speise einfach vor die Füße warf.

Sie hatte es bisher ungestraft tun dürfen, denn des Vaters Zorn ob ihres unartigen Benehmens war bald verraucht, und des verwachsenen Hanko Zähneknirschen beachtete sie nicht.

Nun begab es sich eines Tages, daß beim Grafen ein großes Gastmahl hergerichtet ward, zu dem mehrere Freier Marinkas als Gäste erschienen. Es waren Grafen und Ritter, die von Marinkas Schönheit, aber auch von ihrem Spitznamen gehört hatten und sich überzeugen wollten, wie viel Wahres an dem Gerede der Leute sein möchte.

Das Mahl verlief auch zur Zufriedenheit der Gäste, die von Marinkas Schönheit ganz entzückt waren, denn das Grafenkind schien sein ungestümes und wildes Wesen völlig abgestreift zu haben. Marinka war heiter und voll muntrer Einfälle, so daß die Freier geneigt waren, den Leuten, die die Tochter ihres Gastgebers „wilde Marinka“ nannten, ernstlich ob ihrer anscheinenden Ungerechtigkeit zu zürnen.

Eben ward der letzte Gang, Marinkas Lieblingsspeise, nämlich ein Ragout, oder wie man damals sagte: Gemengsel von Wildfleisch mit feiner Gewürztunke, serviert. Es schien den Gästen zu munden.

Doch Marinkas spitzes Zünglein schmeckte prüfend; sie runzelte die weiße Stirn, stocherte auf ihrem Teller herum, schmeckte

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_051.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)