Seite:Märchen (Montzheimer) 055.jpg

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Die Alte tätschelte Hankos Wangen, indem sie kicherte:

„Jtzt, Hanko, mein Söhnchen, – hi – hi – gib wohl acht,
Merk’ auf, was ich sag’, dann wird Rache vollbracht:
Aus neunerlei Kräutern koch’ schmackhaft ein Süpplein,
Das reiche zum Imbiß dem garstigen Püpplein.
Es wird davon sanft – hi – hi – wirst es bald seh’n,
Hi – hi – alle Wildheit wird dann wohl vergeh’n.
Nur ein Tag im Monat vergönnet ihm sei,
Wo Püpplein des Zaubers werd’ ledig und frei;
Doch ist er vergangen, der einzige Tag –
Kehrt wieder der Zauber, nichts bannen ihn mag.
Die neunerlei Kräuter hab’ ich schon im Haus.
Du ,wilde Marinka’, dein Glück ist jetzt aus:
Die Hexe, die Ute, dir’s jetzo gedenkt,
Daß oft du ihr Söhnlein und sie hast gekränkt!“

Geschäftig kramte die Alte dann in ihrem großen Kräutersack, während Hanko einen in engem Käfig kauernden Raben neckte. Dann griff er hastig nach den dargereichten Kräutern. Mutter und Sohn flüsterten beide noch miteinander, dann huschte letzterer wieder in den dunkeln Wald hinaus dem Schlosse zu.

Nichts regte sich hier. Leise wie ein Mäuslein schlich der Koch in die Küche, wo es bald nach einem absonderlichen Kräutersüpplein roch.


„Heut’ mundet mein Süpplein sonderlich,“ dachte Marinka, als sie ihren Morgenimbiß verzehrte; „Hanko wollte mir sicherlich einen Beweis seiner Kochkunst geben.“

Gleich danach ging Marinka zu ihren Eltern, um ihnen, wie sie das gewöhnt war, ihren Morgengruß zu entbieten. Sie fand beide im Burggärtlein.

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_055.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)