Seite:Märchen (Montzheimer) 057.jpg

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Die drei Freier verließen nach diesem, allen unerklärlichen Ereignis das Schloß, in das nun eine fast unheimliche Stille einzog. Die Gräfin saß fast den ganzen Tag bei dem Rittersporn, der mit größter Sorgfalt gepflegt ward, damit er nicht etwa eingehen möchte. Dieser aber, oder vielmehr die verzauberte Marinka, merkte mit Verzweiflung ihre Hilflosigkeit und der Eltern Schmerz, denn sie sagte sich, daß sie durch ihr wildes Wesen wohl alles verschuldet habe.

O, wie gern hätte sie jetzt gesponnen oder genäht, wie gern in der Kemenate der Mutter gesessen! Aber es war zu spät.


Auf Burg Eulenstein saß Graf Eitel von Eulenstein in eifrigem Gespräch mit einem jungen Verwandten, dem er immer wieder von den Ereignissen auf Schloß Wolfenstein und von der „wilden Marinka“ erzählen mußte, bis Graf Eitel lachte: „Schade, daß der wilden Gräfin nun kein Freier mehr nützen kann, sonst könnte der edle Junker Albrecht von Löwensprung gleich seinem Ohm als Bewerber um die Hand der Schönen gen Wolfenstein ziehen.“

„Das will ich auch, Ohm!“

Der Eulensteiner lachte, daß es dröhnte.

„Du willst auf dem Wolfenstein um einen Strauch Rittersporn werben? Das kannst du bequemer haben: Drunten im Burggärtlein muß auch irgendwo solch’ blaues Zeug stehen; – vielleicht ist’s gar eine verwunschene Prinzessin. Geh’ flugs und wirb um sie.“

„Laßt den Spott, Ohm. Mir träumte diese Nacht, ich hätte die ,wilde Marinka’ erlöst. Ich will versuchen, ob ich nicht ein Mittel erfahre, solchen Traum zur Wirklichkeit zu machen.“

Sprachlos vor Erstaunen musterte der Graf das edle Jünglingsantlitz, das ihn so offen anblickte.

„Meiner Treu’, von größerer Torheit hörte ich nimmer,“ brummte der Eulensteiner dann.

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_057.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)