Seite:Märchen (Montzheimer) 087.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

So ritten die Brüder denn dem Falkenschloß entgegen. Immo riet, zuerst das Zauberschwert zu suchen, das seiner Meinung nach sich in der Nähe des Schlosses befinden mußte. Doch Balduin wollte davon nichts hören, so daß Immo fürchtete, seines Bruders ungeduldiger Tatendrang würde alles verderben und sie beide ins Unheil stürzen.

Nach drei Tagen kamen sie an einen hohen Berg. Der Köhler hatte ihnen den Weg, so gut er es wußte, beschrieben; sie vermuteten nun, nicht mehr weit von ihrem Ziel entfernt zu sein.

Müde und hungrig, wie sie waren, spähten sie nach einem Obdach, wo sie sich zu ihrem Vorhaben stärken konnten.

Endlich entdeckten sie einen Lichtschein, der aus einer menschlichen Behausung kommen mußte. Vielleicht war es die Herberge, von der der Köhler ihnen gesprochen hatte.

Mit Mühe bahnten sie sich einen Weg durch das Gestrüpp, bis sie endlich vor der Tür des alten Gebäudes standen. Auf ihr Pochen trat ihnen eine Frau entgegen, die auf ihre Frage antwortete, daß sie die Frau des Wirtes sei, und daß das Haus die Herberge sei, in der sie übernachten könnten.

Zwar war es nur ein elendes Kämmerlein, in dem die Königssöhne Unterkunft fanden, aber sie schliefen doch fest bis zum nächsten Morgen.

Die Sonne war schon aufgegangen, als sie erwachten und sich besannen, wo sie waren.

Bald saßen sie in der ärmlichen Wirtsstube, wo ein kräftiger Imbiß von der Wirtin aufgetragen wurde. Als die Brüder nun ihre Wirtin nach dem Falkenschloß befragten, ließ die Frau vor Schrecken fast die Schüssel mit Mehlbrei fallen. Sie schlug die Hände zusammen und zeterte: „Ich plag’ meinen Mann alle Tag’, daß ich’s nimmer ansehen kann, wie die schmucken Ritter ins Elend ziehen, und daß ich fort von hier will, und ihr kommt nun so weit her, um euer junges Leben

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_087.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)