Seite:Märchen (Montzheimer) 113.jpg

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die auf dem schmalen Wege einen Augenblick ausruhend, jetzt ihren Anruf vernahmen:

„Türi – türo –
Was lauft ihr so?
Seid wohl auf der Flucht?
Daheim man nach euch sucht! –
Türi – türo –
Was lauft ihr so?“

Ja, Drossel hatte ganz recht, die Kinder liefen töricht und blindlings waldein, gar nicht bedenkend, wohin der Weg sie führte und was sie eigentlich im Walde wollten. Ihnen schien es gleichgültig, was Bäume, Wegweiser, Vögel und der ganze Wald von ihnen dachte, ja, daß selbst die alte Unke sich über sie zu wundern schien, die, an einer feuchten Stelle unter einem Wegerichblatt hervorglotzend, den voranschreitenden Rainer fragte:

„Jung’ – Jung’ – Jung’ –
Sag’ wohin
Unk – unk – unk –
Steht dein Sinn?“

Da murrte Rainer, der ewigen Fragerei überdrüssig: „Du alte Unke, wer wird so neugierig sein? Was verstehst du von Stiefmüttern, vor denen man fortlaufen muß!“

„Sollen wir nicht umkehren?“ fragte Sitta zaghaft. Doch Rainer schüttelte den Kopf: „Wir werden schon irgendwo hinkommen.“

Eigentlich war das nun zwar nicht besonders weise, denn „irgendwohin“ mußte man allerdings gelangen. Aber Sitta, gewohnt, des Bruders Ueberlegenheit anzuerkennen, folgte gehorsam.

Und wirklich, als die Kinder jetzt um ein Gebüsch herumbogen, erblickten sie etwas ganz Wunderbares: eine Felswand lag vor ihnen, die ein mächtiges Tor bildete.

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_113.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)