Seite:Märchen (Montzheimer) 158.jpg

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ganze Geheimnis, aber doch so viel, daß der Gesell seine Geschicklichkeit nicht dem Teufel, sondern dem Wohlwollen der Heinzelmännchen zu verdanken hatte.

Als der kleine Mann längst entschlüpft war, glaubte Meister Anselm immer noch dessen letzte Worte zu hören:

„Der ehrliche Wendelin gab seinen Wein,
Bescheiden bedacht nur auf dich;
Der heimtück’sche Konrad zecht lieber allein,
Ich sah, wie zum Festwein er schlich.“ –

Dem Meister ward weich ums Herz. Ja, ja, der Kleine hatte recht, der Wendelin war seine Zuneigung wert; und wie Gold im Tiegel, so schmolz auch urplötzlich aller Groll gegen den Jüngling dahin, dem er selbst immer das Sprichwort: „ein Mann, ein Wort“ eingeprägt hatte.

Des Goldschmieds Arbeit gelang nun bestens.

* * *

Der wichtige Tag war da. Daß der Meister und Wendelin nach kurzer Aussprache unter vier Augen nunmehr mit heiterem Antlitz zusammen in der schon vollzähligen Versammlung des hohen Rates und aller dabei Beteiligten erschienen, sah der dorthin vorausgeeilte Konrad mit scheelem Blick.

Meister Anselms Freude war nicht gering, als sein Meisterwerk, die Kette, allgemeines Entzücken und großes Lob hervorrief.

Darauf traten die Gesellen mit ihren Gürtelschlössern an.

Konrad drängte sich als einer der ersten mit seiner ungenügenden Arbeit hervor; endlich als letzter kam Wendelin heran, der mit erwartungsvollem Herzklopfen sein Kunstwerk überlieferte.

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipzig: Leipziger Graphische Werke AG, 1927, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_158.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)