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Schützengraben auf Höhe X. Solche gute Worte kennzeichnen die Stimmung der Truppen.

Sehr eifrig wird der Soldatengesang gepflegt. Ich glaube in der Stadt und deren Umgebung noch keine ausrückende oder von der Übung heimkehrende Kompanie begegnet zu haben, die nicht ein lautes, kräftiges, taktfestes Marschlied gesungen hätte. Es ist mir eine helle Freude, zuzuhören, wenn eine Kompanie unter meinem Fenster durch die enge Gasse vorbeizieht, der letzte Mann aus voller Brust herausschmetternd, was er herausbringt. Und wie sie singen, und was sie singen, das sagt dem auch etwas, der den Glauben hat, daß das Lied ein Ausdruck des Volksgemütes und der Volksstimmung ist. Es ist offenkundig, daß in der deutschen Armee die Pflege des Soldatengesanges zielbewußt als ein Stück Soldatenerziehung, als Mittel zur Hebung des guten Geistes und der moralischen Eigenschaften der Soldaten behandelt wird. Die zahlreichen Soldaten-Liedersammlungen — es liegen auf meinem Tische fast ein Dutzend solcher Hefte — zeugen für die sangesfrohe Stimmung. Jüngst begleitete ich während etwa einer Viertelstunde eine von der Übung einrückende Kompanie. Die Neugierde reizte mich zu vernehmen, was die Leute sängen. Ich hörte fünf Lieder. Das erste endete mit dem Kehrreim: Wir Deutsche fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt! Das zweite mit einem anderen: Haltet aus im Sturmgebraus! Das dritte war Die Wacht am

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/114&oldid=- (Version vom 1.8.2018)